Kommunikationsforum
am 8. Oktober 2003 „Die
besondere Lebenssituation von taubblinden und hörsehbehinderten
Menschen“ Referentin: Beate Bönschen (schwerhörig und sehbehindert) Wir freuten uns über das große Interesse an diesem Kofo: Über 100 Besucher waren gekommen. Moderatorin Ilse Grinz, die Gebärdensprachdolmetscherinnen der Firma Skarabee (Bastienne Rehe und Maggie Meisen-Jelas) und Frau Kaul als Schriftdolmetscherin sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Zu Beginn des Vortrags stellte sich die Referentin vor:
die ReferentinBeate Bönschen ist fast ertaubt und an Blindheit grenzend sehbehindert. Sie besuchte früher die Schwerhörigenschule, hatte aber schon damals Schwierigkeiten mit dem Sehen durch Grauen Star. In der Schulzeit hatte sie keine Freunde, sie kannte auch keine anderen hörsehbehinderte Menschen. Sie lernte den Beruf der Bürokauffrau. Als sich ihr Hörvermögen stark verschlechterte, musste sie diesen Beruf aufgeben und ist seit vielen Jahren Frührentnerin. Erst 1989 lernte sie auf einer Freizeit zum ersten Mal taubblinde Menschen kennen und war fasziniert von diesem Eindruck. Durch Seminare in Rendsburg und vor allem durch den DSB-Ortsverein Essen hat sie gute Freunde gewonnen, aber auch in der Taubblindenszene lernte sie einige liebe Menschen kennen.
Ursachen von Erblindung oder Sehbehinderung Viele taubblinde und hörsehbehinderte
Menschen sind von Geburt an gehörlos oder schwerhörig und haben erst
später das Augenlicht verloren. Die Ursachen sind: das Usher-Syndrom
(verursacht durch einen Gen-Defekt); Unfälle; Entzündungen; Tumore
oder Stoffwechselstörungen, Diabetes, Grauer und Grüner Star. Drei
bis fünf Prozent der Gehörlosen verlieren im Erwachsenenalter ihr
Sehvermögen.
Schwierigkeiten im AlltagDie Erblindung im Erwachsenenalter ist besonders schwer zu verkraften. Wenn man vor der Erblindung geheiratet hat und schon Kinder hat, muss man das Familienleben neu regeln. Ledige Taubblinde ziehen manchmal zurück zu den Eltern, weil sie mit ihren bisherigen Freunden nicht mehr kommunizieren können. Die Belastung der Partner oder
der Eltern kann aber zu großen Spannungen führen. Es gibt auch Hör-Sehbehinderte,
die alleine wohnen. Einige sind isoliert und sehr einsam. Andere haben
Glück und wohnen in Städten mit Einrichtungen oder Vereinen, die
helfen können. Einrichtungen für TaubblindeViele Taubblinde oder hochgradig Hörsehbehinderte wohnen in speziellen Einrichtungen: Die größte ist das Taubblindenwerk in Hannover. Weitere Einrichtungen sind in Potsdam, Schramberg-Heiligenbronn (Schwarzwald), Fischbeck (Außenstelle vom Taubblindenwerk Hannover), Hilders (bei Fulda) und in Heide (Schleswig-Holstein).
Wege aus der Isolation Das größte Problem für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen ist der Kontakt zu anderen Menschen. Wenn ein taubblinder Mensch eine gute zwischenmenschliche Beziehung hat, dann geht es ihm gut. Leider wissen Schwerhörige und Gehörlose wenig über Taubblinde. Manche haben auch Angst vor dieser Behinderung und meiden deshalb den Kontakt. Die Kontaktpersonen/die Freunde müssen bereit sein, mit dem Taubblinden zu kommunizieren. Sie müssen wissen, dass man sehr viel Zeit für die Kommunikation braucht. Andererseits muss der Taubblinde wissen, dass sich die Kontaktperson für ihn einschränken muss. Er darf die Person nicht überfordern. Wenn beide Personen sich darauf einstellen können, dann ist auch der taubblinde Mensch integriert. Für die gemeinsame Freizeit gibt es zahlreiche Spiele, die für Blinde tastbar sind: z.B. Schach (es gibt auch Meisterschaften), Kniffel, Skat, Mensch ärgere dich nicht. Wandern ist eine beliebter Freizeitsport, aber auch Joggen, Schwimmen, Rudern und Tandemfahren. Taubblinde Menschen müssen möglichst viel Selbständigkeit behalten. Beim Orientierungs- und Mobilitätstraining lernen sie, mit dem Blindenlangstock umzugehen. Der Blindenstock hilft im Straßenverkehr, beim Einkaufen, bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Man kann Treppen, unterschiedlichen Untergrund und Hindernisse erkennen.
Trotzdem brauchen taubblinde Menschen oft Begleitung. Deshalb wird in NRW zur Zeit ein „Begleiterpool“ für Taubblinde aufgebaut: Man sucht Begleitpersonen für Spaziergänge oder kleine Ausflüge, Hilfe bei Einkäufen, Stadtbummel, Begleitung zu Taubblindentreffen, Begleitung im Urlaub oder auf Freizeiten, Unterstützung beim Hobby usw. Dadurch sollen auch Familien entlastet werden. Unterstützung durch die Verbände Bisher hat der Blinden- und Sehbehindertenverband vieles für die Taubblinden getan. Auch die Pädagogik gehört traditionell zum Bereich der Blindenpädagogik. Es ist aber wichtig, dass auch der Gehörlosen-Bund und der Deutsche Schwerhörigenbund den hörsehbehinderten Menschen eine Heimat anbietet. Gehörlose, die erblinden, brauchen die Unterstützung durch andere Gehörlose für ihre Kommunikation. Eine bundesweite Vereinigung für Taubblinde gibt es leider nicht.
Formen der Kommunikation Es gibt verschiedene Formen der Kommunikation:
Wenn man nicht lormen und nicht
gebärden kann, ist das kein Grund zur Panik. Man kann Taubblinden auch
das normale Alphabet in die Hand schreiben. ... und der Beruf ? Die beruflichen Möglichkeiten sind stark abhängig vom Grad der Sehbehinderung. Traditionell arbeiten viele Taubblinde als Korbflechter und Besenbinder. Die Referentin kennt auch Taubblinde in Deutschland, die als Masseur, Diakon und Hilfserzieher arbeiten. In den USA gibt es eine taubblinde Frau, die Biologie, Latein und Psychologie studiert. Nach der Pause wurden Filmausschnitte aus der Sendereihe „Sehen statt Hören“ zum Thema Taubblinde und Kommunikation gezeigt. Im Mittelpunkt stand das Portrait von Susanne Schnaus. Anschließend konnten mutige TeilnehmerInnen mit Spezialbrillen ausprobieren, wie schwierig die Orientierung für Sehbehinderte ist. Frau Bernhard vom Landesblindenverband NRW demonstrierte und erklärte, was ein Blindenführhund kann: auf eine vergessene Tasche aufmerksam machen, ein Geldstück auf dem Boden finden, den Weg nach draußen finden, zum Aufzug oder zum Taxi führen.
Nach dieser sehr informativen und eindrucksvollen Veranstaltung blieb nur wenig Zeit für die Diskussion. Es lagen aber Informationsbroschüren aus und es gibt Kontaktadressen: Wer im Begleiterpool für Taubblinde mitarbeiten möchte, kann hier Kontakt aufnehmen: Beratungsstelle für Hörgeschädigte Heinz-Josef Jasper, Ingrid Richter Oerweg 38 45657 Recklinghausen Fax: 02361-23370 Mail:
gl-beratung-re@web.de Gehörlosenberatungsstelle der Stadt Bochum Claudia Krause Haus der Begegnung Alsenstr. 19a 44789 Bochum Fax: 0234-311068
Text und Fotos: Helga Ulbricht
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